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Religionsmonitor
Sich selbst und die eigene - religiöse - Gemeinschaft zu feiern ist eine tolle Sache, wichtig für die Identitätsbildung und macht Spaß. Aber mußte man aus ein paar netten Partys gleich Prognosen für die gesellschaftliche Entwicklung ableiten - so geschehen rund um die Papstwahl, den Weltjugendtag in Köln und den Papstbesuch? Wiedererstarken des Christentums, Spiritualität als soziokultureller Megatrend - wie schön war es sich gegenseitig dazu zu gratulieren, vielleicht doch nicht auf der Loserseite des 21. Jahrhunderts zu stehen. Vor allem für diejenigen, die sich nach den alten Zuständen der Volkskirche zurücksehnen. Der neue Religionsmonitor holt uns auf den Boden der Tatsachen zurück: "keine guten Aussichten für die christlichen Kirchen" analysiert Paul Zulehner - der Mann, der schon vor 20 Jahren den "ekklesialen Atheismus" angeprangert hat. Genau. Die Kirche als Institution und ihre Erhaltung sind kein Selbstzweck. Dafür wäre ein bisschen Gottvertrauen angesagt. Denn "die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen". (Mt 16,18)
2 Kommentare:
Interessant ist am Religionsmonitor aber auch, dass unsere Gesellschaft nicht so nachhaltig säkularisiert ist, wie man andererseits vermuten würde: Der Anteil der Nicht-Religiösen und der Hoch-Religiösen hält sich die Waage. Dazwischen ist ein weites Feld von Menschen mit durchaus religiösen Orientierungen.
Die Autoren des Religionsmonitors sagen selbst, dass sie keinen Beleg für Veränderungen liefern können, es handelt sich um die erste Befragung.
In einigen Jahren wird man wissen, wohin sich der Trend bewegt.
Jetzt zu sagen „x %“ sind religiös ist eine rein subjektive Festlegung. Hätte man die Definition enger gewählt, wären es wesentlich weniger, fasst man die Definition weiter, sind es mehr.
Auffallend ist aus meiner Sicht, dass im internationalen Vergleich Deutschland eher auf dem Niveau von England und Frankreich liegt – nun nicht Länder, die gerade vor Religiosität strotzen (außer Tony Blair).
Eine Kritik sei angebracht: die Pressemitteilungen zur Studie und ihre institutionellen Interpreten spielen mit Wörtern wie „hochreligiös“.
Das ist natürlich so gemünzt, dass das Wort gewisse Assoziationen auslöst. Wie genau hochreligiös definiert ist, erfährt man erstmal nicht.
Nun steht aber in der Expertenanalyse von Zulehner das Gegenteil, danach sind in Deutschland nur 6 % der Bevölkerung „sehr religiös“.
"Folgende Daten bestätigen, dass es in den untersuchten Ländern einen Anteil solcher Menschen gibt, die „leben, als ob es Gott nicht gäbe“:
• 39% der ÖsterreicherInnen bezeichnen sich als wenig bis gar nicht religiös, 41% der SchweizerInnen, 42% der Westdeutschen und 79% der Ostdeutschen.
Die Daten lassen vermuten, dass der Anteil dieser Atheisierenden, also der säkular Zufriedenen, in den nächsten Jahren in allen drei Ländern zunehmen [...] wird. Das kann – geht die Entwicklung ungebrochen weiter – am stärksten in Österreich der Fall sein: Der Anteil der Nichtreligiösen beträgt unter den Unter-29-Jährigen 39%; in Westdeutschland gibt es davon
30%, in der Schweiz 18%. In Ostdeutschland ist ihr Anteil in den zwei jüngeren Altergruppen
deutlich rückläufig und liegt bei den Unter-29-Jährigen bei 59% (der Durchschnitt beträgt
65%)."
In allen untersuchten Gebieten nimmt der Anteil der Hochreligiösen (damit der konsistenten Christen) in Richtung der Jüngeren drastisch ab.
Mein Fazit: die Studie belegt erst einmal den Status Quo, wonach der Anteil der Atheisierenden zunimmt - sie liegt damit auf dem Erkenntnisniveau der Allensbacher Studien zum Thema. Es gibt kein statistisch nachweisbares Wiedererstarken des Religiösen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Es gibt auch Indizien, dass die gute soziale Betreuung von Älteren, Behinderten und anderen sozial Benachteiligten vor allem der katholischen Kirche hilft, sich gegen diesen Trend zu stemmen.
Schließlich haben diese Gruppen häufig keine Wahl mehr, denn der erfolgsorientierte Rest der Gesellschaft hat sie abgeschrieben.
Ob die eigentlich religiöse Dimension dieses Wirkens von den Rezipienten und der Gesellschaft mehr als nur billigend in Kauf genommen wird, wäre zu untersuchen.
Dies leistet die Bertelsmannstudie nicht. Ausreichend Raum für eine qualititative Verbesserung wäre also durchaus vorhanden.
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