Samstag, 26. Januar 2008

Leidenschaft weicht Nüchternheit

100 Jahre Weltgebetswoche für die Einheit der Christen vom 18. bis 25. Januar 2008 - ob Papst Benedikt XVI. oder der evangelische Landesbischof Johannes Friedrich: Alle betonen, wie wichtig das Gebet für die Ökumene sei. Selbstverständlich steht das Gebet immer im Zentrum des christlichen Lebens und die Bewegung für praktisches Christentum "Life and Work" ist aus diesem Grund einer der beiden Grundpfeiler der ökumenischen Bewegung. Aber in den Formulierungen schwingt auch ein seltsamer Unterton mit, denn seit einigen Jahren läßt sich ein Umschwung in der ökumenischen Bewegung feststellen.

In den vielen Jahrzehnten des Aufbaus der Ökumene seit 1910 und erst recht seit der Beteiligung auch der römisch-katholischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurden echte Meilensteine gesetzt, die Hoffnung auf mehr machten. Um nur einige herausragende zu nennen:

1982 Konvergenzerklärung über Taufe, Eucharistie und Amt von der Kommission "Faith and Order" des Ökumenischen Rates der Kirchen

1985 Studie "Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" vom Ökumenischen Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen

1999 Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigunglehre des Lutherischen Weltbundes und der Katholischen Kirche

Letztere war scheinbar zu viel des Guten, war doch damit die Euphorie plötzlich zu Ende. Im Ökumenischen Rat der Kirchen streiten Protestanten mit Orthodoxen (die Georgier sind sogar ausgetreten!), und die katholische Kirche profiliert sich seit "Dominus Jesus" im Jahr 2000 immer mal wieder - zuletzt durch die Glaubenskongregation mit den "Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche" im Sommer 2007 - als die einzige Kirche Christi, die in der katholischen Kirche "subsistiert".

Vor diesem Hintergrund hört sich die Bekräftung des Gebetsanliegens ein wenig hilflos an. Will man damit den Stillstand kaschieren? Dem bisher Erreichten die Relevanz absprechen? Oder einfach nur Müdigkeit äußern? Wollen wir Christen mit der viel beschworenen Aussage "was uns gemeinsam ist, ist viel größer als das, was uns trennt" überhaupt ernst machen? Oder ist uns der Weg zu mühsam? Müssen wir und mit einer "versöhnten Verschiedenheit" im Sinne eines nebeneinander-her-Lebens abfinden? Haben wir es vielleicht sogar schon getan?

Pater Eckhard Bieger SJ gibt zu Bedenken: "Protestanten und Katholiken schaden dem Christentum", indem die Fixierung auf das Trennende seit Jahrhunderten der Glaubwürdigkeit des Evangeliums schade. Da hilft wohl wirklich nur noch beten?

Freitag, 25. Januar 2008

Geheimplan zum Beichtgeheimnis

Kommen Sie auch kaum noch in ihre Kirche rein? Seit diese Mengen von Schwerverbrechern in langen Schlangen vor den Beichtstühlen auf ihre Lossprechung warten, kommt man bei uns selbst werktags nicht mal mehr zum Weihwasserbecken. Naja, ich hätte auch Torschlußpanik, wenn der Dreck an meinem Stecken strafrechtlich relevant wäre. Denn seit Herr Schäuble mit der geplanten Verschärfung der Sicherheitsgesetze auch das Abhören von Priestern erlauben möchte, muß man damit rechnen, daß bald Schluß ist mit dem fröhlichen Morden und anschließender Reinwaschung durch das Bußsakrament. Ich bin der Meinung, daß das Innenministerium genau das beabsichtigt: Aus Angst, dass die begangene Todsünde ab sofort entweder Knast oder die ewige Verdammnis nach sich zieht, werden die Kapitalverbrechen in Deutschland drastisch zurückgehen. Dass die katholischen Kirchenvertreter diese pädagogisch wertvolle Maßnahme nicht verstehen, ist nur durch ihre vom Pflichtzölibat verursachte Kinderlosigkeit zu erklären.

Montag, 14. Januar 2008

Kamera statt Kanzel

...unter dieser Überschrift erschien im Spiegel ein kurzes Interview mit Ulrich Fischer, dem Fernsehbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz (das leider nicht online frei verfügbar ist). Es ging noch einmal um das Casting für telegene Seelsorger, die die Kirche in der Fernsehwelt vertreten sollen. Geeignete Kandidaten sind wohl gefunden worden. Was im Interview durchscheint, ist, dass die Anforderungen selbst für gestandene Seelsorger, die es doch gewohnt sein müssten, vor Pu blikum zu sprechen und zu agieren, hoch sind.

Ein Satz des Interviews (bezogen auf die Kandidaten) hat mir besonders gut gefallen:

"Wir werden verschiedene Verkündigungsrollen trainieren."

Wenn jetzt Fernsehen das große Verkündigungsthema ist, gibt es ja vielleicht mal analog zur Cannes-Rolle der besten Werbespots auch eine Verkündigungsrolle. Wäre doch eine neue Vermarktungsidee für den Katholischen Medienpreis.

Freitag, 11. Januar 2008

Islamistenneid

Manchmal werde ich das Gefühl nicht los, dass manche Christen die Kunst der Empörung gerne wieder erlernen würden.
Die Mahnwachen vor den Kinos, in denen Martin Scorseses "
Letzte Versuchung Christi" lief, sind lange vorbei. Das waren noch Zeiten! Dass Harry Potter die komplette westliche Gesellschaft in die Abgründe finstersten Okkultismusses führen würde, war leider so an den Haaren herbei gezogen, dass ein breiter Sturm nachhaltiger Entrüstung ausblieb. Und auch die verletzten religiösen Gefühle angesichts mancher Faschingskostüme werden die Katholiken keine Barrikaden vor Plusmärkten errichten lassen.
Was ist los mit uns? Sind die Christen in unserem Land durch Demokratie, Pluralismus und Toleranz so weichgespült, dass sie zu echter Empörung unfähig sind?
Doch was ist der richtige Weg? Manche schielen halb neidisch auf die gewalttätigen Ausschreitungen nach den dänischen Mohammed-Karikaturen oder empfanden wenigstens ein bisschen Verständnis für die Ermodung des Regisseurs
van Gogh. Auch wenn man das nicht wirklich gut heißt, so bewundert man doch das echte - verletzte - religiöse Gefühl, das sich da Bahn bricht. Hätte man vielleicht doch wenigstens eine Buchhandlung anzünden sollen, als der letzte Harry-Potter-Band erschien, um sich als Christ mal wieder lebendig zu fühlen?

Mittwoch, 9. Januar 2008

Vom Segen der Marktforschung

Seit sich unser Chefredakteur mit modernen Performern angefreundet hat, komme auch ich um das Thema nicht mehr herum: In der katholischen Kirche ist seit 2005 ein Phänomen en vogue - die Sinus-Milieus. Ein Marktforschungsinstitut (Sinus Sociovision) hat 10 Lifestyle-Cluster geboren, die mehr über die Menschen als Adressaten von Werbung aussagen wollen als harte soziodemografische Daten. Die Sinus-Milieus werden vor allem von Werbe- und Mediaagenturen für das strategische Marketing, zur Produktentwicklung und -kommunikation und für die Mediaplanung genutzt. Ich habe aus Fachkreisen gehört, daß in den Branchen rund um "Wohnen und Einrichten" damit gute Erfolge erzielt werden konnten. Für andere Themen, zum Beispiel Umweltschutz, sind die Sinus-Mileus nicht aussagekräftig.

Was will die katholische Kirche mit einem Instrument zur qualitativen Zielgruppenplanung für die Werbebranche? Sie erhofft sich einen Erkenntnisgewinn darüber, wer sich warum zur Kirche bekennt und welche Menschen aus welchen Gründen kirchenfern sind. Mit der Kenntnis der sozialen Milieus will sie sich neue Zugangsmöglichkeiten zu den Menschen eröffnen, die in Sachen Glauben bislang kaum oder gar nicht erreicht werden. Wie groß die Hilflosigkeit und der Bedarf an neuen Ideen und ist, läßt sich am Umfang und der Intensität der innerkirchlichen Rezeption erahnen.


Diese Rezeption erscheint mir sowohl in theologischer als auch in marketing-fachlicher Hinsicht überzogen. Aus Sicht der Marktforschung kann man viele Fragen an die Analyse selbst stellen. Die Sinus-Studien sind in mancherlei Hinsicht vor allem für die Mediaplanung ein brauchbares Instrument, das für bestimmte Branchen besser geeignet ist als für andere. Sie sind kein kommunikatives Wundermittel.

Als Theologin bewerte ich es durchaus positiv, wenn die Kirche sich endlich dafür interessiert, was die Menschen heute bewegt, welche Fragen, Probleme, Werte und Überzeugungen in ihrem Leben eine Rolle spielen; "den Hörer der Botschaft" in den Blick nehmen möchte. Und Verkündigung wird auch über die Medien stattfinden müssen. Aber wird das Glaubenszeugnis wie Mediaplanung funktionieren? Warum sollen Seelsorger zu Pastoralstrategen werden? Warum schielen die Konzepte so sehr auf die Milieus, die sie nicht erreichen und hören gleichzeitig so wenig auf die Menschen, die da - in der Kirche - sind?

Vielleicht sollte ich das Ringen um oder mit den Sinus-Milieus als aktuelle Ausformung des "Aggiornamento" (Papst Johannes XXIII.) verstehen. Doch gerade die hochgeschraubten Erwartungen und Hoffnungen, die in dieses eine Marketinginstrument gesteckt werden, sind mir unheimlich. Die Kirche darf über all ihrem Bemühen um so etwas wie eine Marketingstrategie nicht vergessen, daß der Adressat der Liebe Gottes nicht ein theoretisch konstruiertes Milieu ist, sondern jeder einzelne real existierende Mensch. Gerade das Internet als "individualisierte Massenkommunikation" (Klaus Driever,1996) bietet gegenüber einem gedrucktem Medium und dem Broadcasting den Vorteil, die Menschen nicht über Zielgruppen ansprechen zu müssen. Denn - wie es Joseph Ratzinger alias Papst Benedikt XVI. in "Salz der Erde" gesagt hat: Es gibt so viele Wege zu Gott wie es Menschen (nicht Zielgruppen!) gibt. Und letztlich ist Glauben nicht das Ergebnis einer Kommunikationsstrategie sondern ein Geschenk des Heiligen Geistes.