Sonntag, 29. Juni 2008

Freiheit, die ich meine

Vor wenigen Sonntagen feierte in unserer Gemeinde ein heimgekehrter Afrika-Missionar den Gottesdienst. Eine sehr lebendiger Priester, der in seiner Predigt ein bisschen aus seinem Missionsalltag berichtete. Das war spannend anzuhören - und doch wurde ich sehr nachdenklich:

Was bringen wir diesen Menschen? Eine Begründung war, dass das Christentum ihnen die Freiheit brächte. Seine Beispiele brandmarkten vermeintlichen Aberglauben, z.B., dass eine alte Frau mit einem Oberschenkelhalsbruch sich bei Neumond nicht aus ihrem Dorf in das weit entlegene Krankenhaus verlegen lassen wollte - was auf holprigen Landstraßen nebenbei bemerkt bestimmt kein Spaß gewesen wäre. Und wir wissen ja selbst, dass für alte Menschen oft genug auch in unserem Hightechwunderland ein Oberschenkelhalsbruch das Ende einleitet.

Wie gesagt, zwei Fragen lassen mich nicht los: Wer entscheidet eigentlich, was Aberglaube ist? Aber wichtiger noch, welche Freiheit bringt uns (!) das Christentum? Werden wir wirklich freier, dadurch, dass wir Christen sind? Klar, wir brauchen keine Angst vor schwarzen Katzen und Spiegelscherben zu haben. Aber unsere Religion scheint mir oft so blutleer, hoch ritualisiert und kanonisiert zu sein. Ein Motu proprio jagt das andere, Kirchenrecht und Katechismus regulieren zuviel christliche Freiheit. Wo begegnen wir wirklich erlösten Mitchristen? Titel und Ehrentitel, Orden und Hierarchie schaffen innerkirchliche Ersatzbefriedigungen, weil wir unseren Frieden in der wahren Freiheit nicht finden. Aus meiner Religionsunterrichtszeit und so mancher Predigt erinnere ich mich noch an den herrlichen Euphemismus: Jaja, wir haben keine Freiheit wovon, sondern eine Freiheit wozu! Hä?!

11 Kommentare:

Elsa Laska hat gesagt…

Lieber Georg,

bitte definiere einmal "erlöster Christ"? Was verstehst du darunter?
LG
Elsa

Georg hat gesagt…

Liebe Elsa,

erwischt! Ich habe natürlich keine einfache Definition, keine Standardantwort parat. Doch zwei Dinge sind mir eingefallen, die für mich einen erlösten Christen (u.a.) ausmachen könnten:

1. Er traut Gott alles zu.
Du weißt schon: die Sache mit dem senfkorngroßen Glauben der Berge versetzen kann... Dadurch kann er ohne Angst durch sein Leben und die Welt gehen.

2. Er lässt Gott groß sein.
D.h. er weiß, dass Gott immer größer und unfassbar anders ist als alles, was sich Menschen von ihm in ihrem Verstand, in ihrem Herzen und ihrer Glaubenstradition ausmalen. Das leugnet nicht irgendwelche Dogmen, sondern es ist ein Wissen um die menschliche Begrenztheit. Dies macht ihn demütig in der Begegnung mit anderen Menschen im allgemeinen und mit ihren Glaubenserfahrungen im Speziellen.

Ein erster Versuch, wie gesagt. Eine erste Annäherung. Aber was meinst Du?

Nikodemische Grüße
Georg

Anonym hat gesagt…

Na dann trau ich mich mal: Georg hat gesagt hier dürfen auch Evangelikale mitmachen???!!!;-) @Georg <-- damit hat sich die Frage geklärt, oder)
Zum Thema: Für mich ist Aberglaube = ANGST Ob nun schwarze Katze, Spiegel, Leiter, ... alles soll Angst machen. Angst macht aber unfrei.Angst fressen Seele auf
Wenn ich also auf Gott vertraue und diese "Zufälle", "Hirngespinste", "Erfahrungen" ... loslassen kann werde ich frei und diese Freiheit, so kann ich Dir durch eigene Erfahrungen sagen ist durch nichts zu ersetzen.
Zwischenbemerkung: Soweit mir bekannt sterben die alten Menschen nicht am Oberschenkelhalsbruch, sondern durch Infekte, wie z.B. Lungenentzündung und die bekommen sie, weil eben das Immunsystem bei den Senioren nicht mehr so gut ist, gelle ;-)
>>Wer entscheidet eigentlich, was Aberglaube ist?<< Jeder für sich selbst? Ja ich glaube jeder für sich selbst; denn in dem Moment wenn ich mir meinen Bart wachsen lasse, weil ich an dem, oder jenen Tag ganz besonders viel Glück hatte und das Bart zuschiebe erliege ich dem Aberglauben, oder?
Zu den Regeln: Eigentlich gibt es doch nur eine Regel - Die Bibel - Und wer macht die Regeln, Bibelauslegungen ... der Mensch.
Ich für meinen Teil habe Schwierigkeiten mit dem Bodenpersonal Gottes! a muss ich schon ganz genau hinhören, und/oder einige Gespräche führen um Vertrauen zu fassen. Aber GsD schickt Gott mir immer wieder Menschen (Bodenprsonal, oder Gläubige) , die mir helfen nicht Verstandenes zu begreifen.
>>wir haben keine Freiheit wovon, sondern eine Freiheit wozu!<< Auch: hä?!
Dazu fällt mir nur ein Spruch ein, den ich hier im Norden am Anfang meines 2. Lebens mal hörte: Ich bin frei! --- Mir ist sooo schlecht! ;-)Damals wie heute sag(e)te ich mir: Kann, darf, ja sogar will ich wirklich frei sein? Ist es nicht eher so, dass ich mit einer Freiheit, die Du hier beschreibst Georg könnte ich gar nicht umgehen.
---
Erlöster Christ Sorry,aber für mich hat das was von "gelber Banane", oder "rotes Feuerwehrauto" ;-)
So ich hoffe, dass ich nun nicht gleich gehauen werde, wegen meiner Ansichten, aber das waren meine Gedanken dazu --- im Moment ;-)
Herzliche Grüße
Markus

Martina hat gesagt…

Die gelbe Banane kriegt Ihr gerne geschenkt. "Erlöst ist, wer an Christus glaubt" - soweit die reine Lehre (oder Leere?).
Elsa fragte aber genauer: Was bedeutet das - dieses Erlöst-Sein?

Befreiung
Für mich bedeutet Erlösung vor allem frei sein, da hat Georg mir aus dem Herzen gesprochen!
Und zwar wirklich frei sein von ... Sklaverei! Von äußeren und inneren Zwängen. Nicht frei von Angst und Trauer, auch nicht frei von Stolz, Neid, Zorn, Habgier und wie die Haupt- oder Wurzelsünden alle heißen. Auch nicht frei von dem Wunsch nach Anerkennung und Liebe. Das alles ist Leben! Aber diese Gefühle und Wünsche bestimmen nicht das Leben des erlösten Christen, sie versklaven ihn nicht. Na klar, alle möchten gerne glücklich, gesund, intelligent und sexy sein, aber der erlöste Christ ist nicht davon abhängig. Er handelt und entscheidet nicht in Angst sondern in Zuversicht, in Trauer und Leid muss er nicht verzweifeln sondern kann hoffen. Er kann seine Erfolge genießen, ist aber nicht davon abhängig, so dass er in seinem Streben danach nicht über Leichen gehen muss.

Für jeden einzelnen Menschen erfahrbares Heil
Ich denke, dass diese Erlösung für jeden Menschen anders aussieht. Für den einen bedeutet Erlösung die Befreiung von zwanghafter Angst, für den anderen von der Sucht nach Anerkennung. Für den nächsten die Befreiung aus Unterdrückung und Ungerechtigkeit, für den übernächsten die Heilung einer Depression. Ein "erlöster Christ" ist ein Mensch, der Heil in seinem Leben erfährt - und zwar ganz konkret und praktisch!

Demut macht frei
Erlösung befreit auch von dem Zwang, alles selbst machen zu wollen. Ich kann mich nicht selbst erlösen! Die Erlösung ist ein Geschenk, das mit einer demütigen Lebenshaltung einhergeht. Demütig nicht im Sinne von Fatalismus, sondern im Wissen um die eigenen Begrenzungen und die Grenzen des Machbaren. Da hat auch mein Scheitern einen Platz, ohne dass ich daran zerbrechen muss. Es muss mir nicht alles gelingen! Solche Demut macht mich nicht klein, sondern wirklich frei.

Ein Weg in Leichtigkeit
Ich erlebe Erlösung jedenfalls nicht als Zustand, sondern als Prozess oder Weg, den ich mit Gott und den Menschen nur in Leichtigkeit gehen kann. Neue Zwänge tun sich auf - alte werden wieder stark. So habe ich auch immer wieder das Gefühl, wieder ganz am Anfang zu stehen und erneut Befreiung zu brauchen.

Disclaimer
Die eigene Erlösung zwanghaft demonstrieren zu wollen - Parolen wie "Wir Christen müssen wieder erlöster wirken" -, finde ich paradox. Und warte geduldig weiter auf die erlöste Strahlkraft von Klerus, Katechismus und Kirchenrecht.

Anonym hat gesagt…

okay,okay behalte ich die Banane eben! ;-) >>"Erlöst ist, wer an Christus glaubt"<< Da ist dann sicher nichts weiter zu sagen! ---
Demut da sträuben sich mir sämtliche 3 Haare ...
Wie definiert ihr DEMUT ?
Die Definition von Martina finde ich schon mal beruhigend. (Für mich)

Martina hat gesagt…

Hey Markus, die Banane war nicht böse gemeint! Super, dass Du Dich noch mal meldest. :-)
Was beunruhigt Dich an meinem Verständnis von Demut? Glaubst Du, dass Dir alles gelingen kann, wenn Du Dich nur genug anstrengst? Ich komme ständig an meine Grenzen - obwohl ich mich nach Kräften bemühe. Diese Erfahrungen lassen mich immer demütiger werden - und dabei merke ich, dass ich ja auch gar nicht alles schaffen muss, sondern Gottes Gnade auch im Scheitern, Mißlungenen oder Halb-Gelungenem meines Lebens wirkt. Darauf vertraue ich, und das macht mich frei - sowohl von allzu hohen Erwartungen als auch von Selbstvorwürfen.

Elsa Laska hat gesagt…

Das waren sehr gute Antworten, denn ehrlich gesagt, ich könnte so auf Anhieb nicht sagen, was für mich "erlöster Christ" eigentlich wirklich bedeutet. Denn ich weiß dann nicht genau, @Georg, wenn du schreibst, er traut Gott alles zu und lässt ihn groß sein, verzeih mir die Spitzfindigkeit, was uns dahingehend dann von Muslimen oder Juden unterscheiden würde?
Läuft es dann doch angesichts dieser Argumentation nicht noch viel mehr auf Jesus Christus hinaus als auf Gott, den Herrn? (Jetzt mal die Frage, ob wir als Christen mit den Muslimen zu einem gemeinsamen Gott beten oder nicht, darum geht es mir nicht, sondern auf deine Antwort auf meine Frage nach "erlöster Christ" und deine konkrete Antwort dazu. Warum verweist du nicht auf Christus, besides? Nur Neugierde, keine Spitzfindigkeit).

Demut.
Demut hatte ich heute angesichts eines sehr milden, ihr kennt sie, diese- Sommergewitters, die leise rollen, dann auch mal grollender werden, aber der Erde eher Leben schenken als Vernichtung, es gab zwei Hagelkörner und fürchtete um den Garten, dann aber fiel doch einfach nur schwerer, satter Regen und immer wieder dieses Murmeln, Rollen und Grollen über mir. Bitte um Entschuldigung für die unsachliche und unintellektuelle Abschweifung, aber es fiel mir einfach zum Stichwort Demut gerade ein.
Liebe Grüße (von der anderen Seite des Stiefel an Georg v.a.)
Elsa

Anonym hat gesagt…

Liebe martina, da müssen schon ganz andere Geschütze gebraucht werden um mich zu verjagen ;-) und außerdem gibt es dann ja noch ganz alttestamentarisch: Auge um Auge,Zahn um Zahn ;-))))
Zu Deinen Fragen möchte ich Dich/Euch auf meinen Blog bitten: http://rettungsanker.wordpress.com/2008/07/03/demut/ ich denke dann sind die meisten Fragen geklärt und hier geht es dann mit der Freiheit weiter (für weitere Diskussion und Fragen bin ich aber offen!)
Übrigens Open ID ist doof! - Ich bin Markus und nicht Rettungsanker, deshalb die Änderung! ;-)
Danke, dass ich hier mit Euch diskutieren darf.

Anonym hat gesagt…

Wer nicht darüber nachdenkt, obwohl er könnte, ist frei.

Anonym hat gesagt…

Wer nicht darüber nachdenkt, obwohl er könnte, ist frei.

Mit dem Satz habe ich Schwierigkeiten!
@anonm: Freiheit = darüber ???

Wer nicht über die Freiheit nachdenkt, obwohl er könnte, ist frei.

Als Schnellschuss: 1. Ich gehe davon aus, dass niemand wirklich frei ist! 2. Wenn ich nicht über Freiheit nachdenke kann ich nicht entscheiden, ob ich irgendwo ein Stück Freiheit zu meinen Gunsten aufgeben könnte/sollte/möchte .... (grübel)

Anonym hat gesagt…

@markus: Wer nicht darüber entscheidet, ob er frei ist, obwohl er könnte, ist frei.