Montag, 2. Juli 2012

Frauensache

Ganz ehrlich: Als ich den Text zuerst las, hielt ich ihn für Satire. Die Zuschreibung, er stamme von Theresia von Avila, ist kaum zu glauben - nicht nur wegen des Kaffeesatz-Anachronismus. Die Zeile  "Obgleich ich Martha-Hände habe, hab' ich doch ein Maria-Gemüt" , erinnert mich an Horvaths Spruch: "Ich bin eigentlich ganz anders, aber ich komme so selten dazu."


Theresia von Avila war Mystikerin. Nichts prägte ihr Leben und Werk mehr als das betrachtende Gebet, die Vision, die Meditation. Was die Verfasserin dieses Textes beschreibt ist das exakte Gegenteil: Eine erschöpfte Küchenmagd, der es verwehrt ist ihrer Seele Raum zu geben und Zeit für die Begegnung mit Gott zu finden.


Wie kommt es eigentlich, dass dieses Gebet aktuell so großen Anklang findet? Er wird gepostet von Ameleo, findet Eingang in das Gebetbuch von Margot Kässmann und in die Kirchensendungen des öffentlich-rechtlichen Hörfunks.


Offensichtlich finden viele Frauen sich selbst und ihre eigene Situation darin wieder. Und das Schlimmste daran: Ich finde mich selbst darin wieder! Nichts gegen Meditieren beim Abwasch, wobei sich Bügeln meiner Meinung nach besser dafür eignet. Ich habe auch nichts gegen Achtsamkeitsmeditation und erst recht nicht, Gott in allen Dingen zu suchen.


Aber hallo? Hier muss jemand bis zum Umfallen schuften und wird dazu angehalten nicht dagegen aufzubegehren ("hilf mir, dass mein Murren aufhört"). Hier hungert jemand nach Trost und Sinn, nach der Begegnung mit Gott und wird auf seine Rolle als Küchenhilfe reduziert - und dies wird als Gottesdienst beschönigt. "Die Stunde des Gebetes ist vorbei, bis ich mein Geschirr vom Abendessen gespült habe, '" - und damit soll die Sehnsucht nach einem geistlichen Leben gestillt sein?


Ich halte dagegen: Mein Gott ist kein Herr der Töpfe und Pfannen! Mein Gott sagt: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.“ Mein Gott findet kein Wohlgefallen an einer vollendet gedeckten Tafel, sondern hat eine frohe Botschaft für die Armen und Geknechteten. Ich wünsche mir ein Gebet der Befreiung, der Ermächtigung und des Aufstands gegen diese ungerechte Situation. Ich fordere Gebet und Meditation für alle! Wenn diejenigen, die die Stunde des Gebets selbstverständlich in der Kirche verbringen, ein bisschen beim Abwasch helfen - dann könnten vielleicht am Ende alle dabei sein.
Herr der Töpfe und Pfannen,
ich habe keine Zeit,
eine Heilige zu sein
und Dir zum Wohlgefallen
in der Nacht zu wachen,
auch kann ich nicht meditieren
in der Morgendämmerung
und im stürmischen Horizont.
Mache mich zu einer Heiligen,
indem ich Mahlzeiten zubereite
und Teller wasche.
Nimm an meine rauen Hände,
weil sie für Dich
rau geworden sind.
Kannst Du meinen Spüllappen
als einen Geigenbogen gelten lassen,
der himmlische Harmonie
hervorbringt auf einer Pfanne?
Sie ist so schwer zu reinigen
und ach, so abscheulich!

Hörst Du, lieber Herr,
die Musik, die ich meine?
Die Stunde des Gebetes ist vorbei,
bis ich mein Geschirr
vom Abendessen gespült habe,
und dann bin ich sehr müde.
Wenn mein Herz noch am Morgen
bei der Arbeit gesungen hat,
ist es am Abend schon längst
vor mir zu Bett gegangen.
Schenke mir, Herr,
Dein unermüdliches Herz,
dass es in mir arbeite statt des meinen.

Mein Morgengebet
habe ich in die Nacht gesprochen
zur Ehre Deines Namens.
Ich habe es im voraus gebetet
für die Arbeit des morgigen Tages,
die genau dieselbe sein wird
wie heute.

Herr der Töpfe und Pfannen,
bitte darf ich Dir
anstatt gewonnener Seelen
die Ermüdung anbieten,
die mich ankommt
beim Anblick von Kaffeesatz
und angebrannten Gemüsetöpfen?
Erinnere mich an alles,
was ich leicht vergesse;
nicht nur um Treppen zu sparen,
sondern, dass mein
vollendet gedeckter Tisch
ein Gebet werde.

Obgleich ich Martha-Hände habe,
hab' ich doch ein Maria-Gemüt,
und wenn ich die schwarzen Schuhe putze,
versuche ich, Herr,
Deine Sandalen zu finden.
Ich denke daran,
wie sie auf Erden gewandelt sind,
wenn ich den Boden schrubbe.

Herr, nimm meine Betrachtung an,
weil ich keine Zeit habe für mehr.
Herr, mache Dein Aschenbrödel
zu einer himmlischen Prinzessin;
erwärme die ganze Küche
mit Deiner Liebe
und erleuchte sie mit Deinem Frieden.
Vergib mir, dass ich mich absorge,
und hilf mir, dass mein Murren aufhört.
Herr, der Du das Frühstück am See
bereitest hast, vergib der Welt,
die da sagt: "Was kann denn
aus Nazareth Gutes kommen?"
(Theresia von Avila) 

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Es ist vom sprachlichen und geistigen Hintergrund her völlig ausgeschlossen, daß dies Gebet von Teresia oder auch nur aus ihrer Zeit stammt.

Ich schätze die Entstehungszeit auf irgendwann zwischen 1950 und 1970 - oder, vielleicht, gegen Ende des 19. Jhs.

"und wenn ich die schwarzen Schuhe putze" - Teresas Welt hatte keine schwarzen Schuhe.

Da hat sich irgendein biederes Hausmütterchen (oder, noch schlimmer, ihr Herr Gatte im Bestreben, ihr was Nettes zu schenken) ein höchst unfreies Gestammel zusammengereimt. Teresa aber war höchst frei.

Braut des Lammes hat gesagt…

Ich derselben Ansicht. Zwar bin ich nicht die große Teresa-Expertin, hab aber unter anderem etliche Zeit damit zugebracht, sie ins Englische oder Deutsche zu übertragen bzw. im Rahmen anderer Arbeiten Werke Teresas zitiert. Weder ist das der Sprachfluß Teresas, noch etwas, was Teresa gesagt haben könnte, es klingt einfach überhaupt nicht nach ihr.

Richtig ist, und da kommen vielleicht die Töpfe und Pfannen her, daß Teresa angemerkt hat, er wäre auch zwischen ihnen zu finden. Und das stimmt ja auch. Teresa faßte die manuelle Arbeit, die womöglich in der Stille der Zelle verrichtet wurde, ebenso als Möglichkeit des Gesprächs und der Begegnung mit Gott auf wie die Gebetszeit. Deshalb soll bei der Arbeit Stillschweigen bewahrt werden.